Kündigung und Krankheit

Viele Menschen unterliegen dem Irrtum, dass man während oder sogar wegen einer Krankheit nicht gekündigt werden kann. Mittlerweile ist die Kündigung wegen einer Krankheit der häufigste Fall einer personenbedingten Kündigung und grundsätzlich vom Gesetzgeber erlaubt.



Kündigung wegen Krankheit


Langzeiterkrankungen

Bei Langzeiterkrankungen wird zwischen der Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit und der Kündigung wegen langanhaltender Erkrankung unterschieden. Ab einer Krankehitsdauer von acht Monaten ist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Krankheit langanhaltend. Wenn zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehbar ist, dass sich der Zustand innerhalb von 24 Monaten bessert, gilt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als dauernd.

In diesem Fall geht das BAG davon aus, dass die betrieblichen Interessen so stark beeinträchtigt sind, dass die Kündigung durch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit begründet werden kann (BAG vom 29. April 1992).

Kurzzeiterkrankungen

Kurzzeiterkrankungen hingegen können per se kein zulässiger Kündigungsgrund sein. Sofern man Attest und Krankmeldung rechtzeitig einreicht, verbieten die Arbeitnehmerschutzgesetze, für kurze und berechtigte Krankheitsfälle die Kündigung.

Eine Ausnahme gibt es, wenn solche kurzzeitigen Erkrankungen immer wieder vorkommen (Häufigkeit um Brückentage oder Wochenanfang), hat der Arbeitgeber gute Chancen, eine wirksame Küundigung auszusprechen. Im Falle einer einer Kündigungsschutzklage prüft das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung anhand von vier Fragen:

1. Wird der Arbeitnehmer wieder gesund?
2. Inwiefern schadet der Ausfall dem Betrieb?
3. Kann eine erneute Erkrankung verhindert werden?
4. Gibt es nicht eine andere Möglichkeit?



Wird der Arbeitnehmer wieder gesund?


Dabei handelt es sich um eine sogenannte Negativprognose. Die Rechtsprechung fordert, dass eine ernsthafte Besorgnis über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers besteht und nicht absehbar ist, wann der Mitarbeiter wieder vollständig arbeitsfähig sein wird. Bei häufigen Kurzzeiterkrankungen muss sich die Prognose darauf beziehen, ob zu erwarten ist, dass es auch künftig zu stetigen Arbeitsausfällen kommen wird.

Der Arbeitgeber muss die Prognose begründen. Eine bloße Vermutung reicht nicht aus. Es müssen handfeste Tatsachen vorliegen, dass der Arbeitnehmer auch künftig nicht in der Lage sein wird, seinen Arbeitsvertrag ordnungsgemäß zu erfüllen, z.B. chronische Erkrankungen , Alkohol- und Drogensucht, Persönlichkeitsstörungen. Bei einmaligen Ereignissen wie Unfälen ist eine Negativprognose kaum zu treffen.

Wenn hingegen ersichtlich ist, dass die Leistung nie wieder erbracht werden kann, kann der Arbeitgeber ohne weitere soziale Rechtfertigung kündigen (Langzeit- oder Dauererkrankung). Zuvor muss der Arbeitgeber allerdings prüfen, ob nicht ein anderer, leidensgerechter Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer zur Verfügung steht, und für diesen Mitarbeiter gegebenenfalls ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen.



Inwieweit schadet der Ausfall dem Betrieb?


Die zweite Voraussetzung ist die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers durch den Ausfall des kranken Arbeitnehmers.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Krankheitsvertretung eingestellt und extra eingearbeitet werden muss. Ganz besonders, wenn es dabei zu Produktionsausfällen oder Produktivitätsverschlechterungen kommt. Wenn ohne den Mitarbeiter die Förderbänder stillstehen, weil im Betrieb kein geeigneter Ersatz für den ausgefallenen Mitarbeiter existiert, kann jedoch auch die schlechte Personalplanung des Arbeitgebers verantwortlich sein. Der ist grundsätzlich gehalten, auch auf kurzfristige Arbeitsausfälle reagieren zu können. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass ihn die Krankheit des Mitarbeiters unverhältnismäßig belastet. In kleineren Unternehmen ist das öfters der Fall als in Großbetrieben.

Eine Belastung können grundsätzlich auch die Entgeltfortzahlungskosten sein, soweit sie länger als sechs Wochen gezahlt werden müssen.



Kann eine erneute Erkrankung verhindert werden?


Dauerte die krankheitsbedingte Abwesenheit innerhalb eines Jahres l/änger als sechs Wochen, sieht § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement vor, das dem Arbeitnehmer die Rückkehr an seinen oder einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz erleichtern soll. Daran müssen die Arbeitnehmervertretungen – etwa der Betriebsrat oder die Jugend- und Auszubildendenvertretung – beteiligt sein.

Das Fehlen des betrieblichen Eingliederungsmanagements führt zwar nicht direkt zur Unwirksamkeit der Kündigung, den Arbeitgeber treffen in der Folge allerdings nicht unerhebliche Darlegungs- und Beweislasten im Rahmen der Interessenabwägung.



Gibt es nicht eine andere Möglichkeit?


Die Interessenabwägung ist – wie bei anderen Kündigungen auch – bei krankheitsbedingten Kündigungen zwingend vorgeschrieben. Sie soll verhindern, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter vorschnell oder leichtfertig vor die Tür setzen.

Im Zuge der Abwägung hat der Arbeitgeber die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers (wie z.B. Alter, Familienstand oder Unterhaltslasten) zu berücksichtigen. Bezugspunkt muss immer der Einzelfall sein. Außerdem hat er zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer an anderer Stelle im Betrieb eingesetzt werden kann. Auch betriebsbezogene Faktoren, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder Häufigkeit und Dauer vorheriger Erkrankungen können verhindern, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Arbeitsunfähigkeit möglicherweise die Folge eines Arbeitsunfalls ist.



Fazit

Eine Vielzahl von Anhaltspunkten kann dafür sorgen, dass eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam ist. Zum Beispiel sind Arbeitnehmer meistens im Vorteil bei der Prognose über die künftige Arbeitsunfähigkeit. Ohne ihre Zustimmung kann kein Arbeitgeber Auskunft von den behandelnden Ärzten verlangen. Auch der Arbeitnehmer selbst muss dem Arbeitgeber keine Angaben über künftige Ausfälle machen.

Die einzige Möglichkeit des Arbeitgebers ist, nach § 275 SGB V ein Gutachten beim medizinischen Dienst der Krankenkasse des Mitarbeiters einzuholen. Dazu muss er die Arbeitsunfähigkeit bezweifeln und gelangt unter Umständen an Details zur Erkrankung, die auf eine künftige Prognose schließen lassen.

Seine Gründe muss der Arbeitgeber vor Gericht zunächst darlegen. Erst daraufhin ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die vorgebrachten Tatsachen zu reagieren und gegebenenfalls eine Gegendarstellung einzureichen. Der Arbeitnehmer sollte auf jeden Fall nicht ohne Weiteres einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, weil das zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld oder der Anrechnung einer Abfindung führen kann.

Arbeitgeber sollten sich auf jeden Fall im Vorfeld einer krankheitsbedingten Kündigung durch einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen, um die Rechtssicherheit der Kündigung zu gewährleisten. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die von einer Kündigung wegen Krankheit betroffen sind.